4.7.2017 |
Noch war es eine ‚überschaubare‘ Zahl von Interessenten bei der Vorstellung des Projekts ‚BLADL‘ in Finsterau und Mauth, im Verlauf des Projekts bis 2020 soll sie ausgebaut werden. − Foto: Hans-Joachim Kaulich
Digitalisierung ist gegenwärtig in Deutschland bis hinauf zur Bundeskanzlerin ein wesentliches Zukunftsthema, Bayern hat es mit seinen Masterplänen I und II mit hoher Priorität versehen. Für die Jahre 2015 bis 2022 wurden im Staatshaushalt 5,5 Milliarden Euro eingestellt. 2018 hat das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales den Wettbewerb ‚Digitales Dorf‘ gestartet, im Landkreis Freyung-Grafenau wurde der Gemeindeverbund Frauenau-Spiegelau als Teilnehmer ausgesucht. Das Projekt ‚Digitales Dorf‘ ist ein gemeinsames Vorhaben des Technologiecampus Grafenau mit der Fraunhofer Gesellschaft (IIS und IESE), gefördert durch die Bayerische Staatsregierung und koordiniert durch das Bayerische Wirtschaftsministerium (StMWi). Die Gemeinde Mauth hatte sich ebenfalls um Teilnahme bemüht, durch anerkannte Vorarbeit gerade auf dem Sektor Seniorenarbeit wurde das Teilprojekt „Besser Leben im Alter durch digitale Lösungen (BLADL)“ dorthin vergeben. Das Forschungsvorhaben richtet sich vorrangig an die ‚Generation 55plus‘. Durch Kenntnis und Nutzen der digitalen Möglichkeiten soll die persönliche Lebensqualität und berufliche Perspektive in einer sich stark wandelnden Umwelt auch auf dörflicher Ebene ausgebaut und langfristig gesichert werden.
Die Frage, ob man als älterer Mensch so etwas brauche, beantwortete Dietmar Jakob (TC Grafenau) bei den Vorstellungen dieses Projekts in Finsterau und Mauth mit einem klaren ‚Ja‘. Um diese Aussage zu untermauern begann er seine Präsentation mit der Bestandsaufnahme, dass „die Attraktivität des ländlichen Raumes leide(t)“. Gründe seien Abwanderung speziell der jüngeren Generation in die urbanen Räume, eine höhere Sterbe- als Geburtenrate, eine steigende Lebenserwartung und weite Wege zu Arbeit und Schule. Verschiedentlich sind Einbußen der vorhandenen Infrastruktur zu verzeichnen sowie eingeschränkte Betreuungs-, Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote, erkennbar u.a. daran, dass schulische Angebote konzentriert auf immer weniger Standort angeboten werden.
Um dem entgegenzuwirken will das Projekt „Besser Leben im Alter durch digitale Lösungen (BLADL)“ die Digitalisierung nutzen und so die Zukunft auf dem Land sichern. Wie es gelingen kann zeigte es Jakob am Beispiel der sehr früh angegangenen Digitalisierung vieler Lebensbereiche in Estland, sie hat dort erheblichen Anteil an einem erkennbaren Mehrwert für die Bevölkerung – auch für die Älteren. Um die ländlichen Räume in Bayern nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen gelte es, vorhandene Hemmschwellen bei der Nutzung digitaler Medien abzubauen, Aufgeschlossenheit für technische Innovationen zu wecken und Lösungsmöglichkeiten im Alltag aufzuzeigen, zu entwickeln und in einem Modellprojekt zu erproben. Absicht ist, die gefundenen und passgenauen Lösungen hinterher auf ähnliche Regionen zu übertragen. Zunächst gelte es, Bereitschaft auch der älteren Generation zu gewinnen die Möglichkeiten der elektronischen Medien für sich zu entdecken. So können technische Innovationen eingeführt werden, die nicht ‚am Schreibtisch‘ entwickelt wurden sondern die auf Grund der von der Bevölkerung geäußerten Wünsche und Bedürfnisse zugeschnitten auf die gegebene Lebenswirklichkeit sind – und somit als praxistauglich von den Bürgern im Alltag angenommen und umgesetzt werden.
In der Gemeinde Mauth ist man bei der Digitalisierung ohnehin auf gutem Weg, der Breitbandausbau befindet sich in fortgeschrittener Phase, Bandbreiten zwischen 30 MB bis 50 MB sind großteils vorhanden, Hotspots in der Gemeinde eingerichtet. Jetzt gelte es für die Betroffenen Medienkompetenz zu erwerben, den Nutzen in den Alltag zu integrieren. Das geht von der Kenntnis des Umgangs z.B. der Handys weiter zu Smartphones, der tablets, der Laptops bis hin zu den PC’s. Als Schwerpunkt im Rahmen des Projekts ‚digitales Dorf‘ ist für die Gemeinde Mauth das Erlernen des Umgangs mit diesen Geräten und die Anwendung von Apps gesetzt, z.B. der Ausbau der vorhandenen ‚Nachbarschaftshilfe‘ durch Entwicklung einer digitalen Plattform für Auftragsannahme und Buchung von Dienstleistungen. Der ‚Hausnotruf‘ ist eine bereits etablierte technische Lösung, durch Entwicklung weiterer Anwendungen soll die Sicherheit im häuslichen Bereich verbessert werden. Als Beispiel nannte Jakob die Möglichkeit, auffällige Abweichungen beim Stromverbrauch in einer Meldezentrale zu erkennen (Herdplatte nicht ausgestellt?) und notfalls Hilfsmaßnahmen ergreifen zu können. Auch gibt es z.B. bereits Fußmatten, die einen Sturz erkennen und Signale zur Hilfe absetzen.
Aber nicht nur Hilfe in Katastrophenfällen kann so organisiert werden, Kontakte können leichter organisiert werden – das Wissen ‚wie‘ wird vermittelt, gleich ob beim gefahrlosen Umgang mit Whatsapp oder anderen sozialen Diensten. Telemedizin wird in den Orten an Bedeutung gewinnen, in denen ein Hausarzt nicht mehr praktiziert. Weiter wird zukünftig das Netz der Sparkassen/Banken stärker ausgedünnt werden – wie es in Finsterau noch in diesem Jahr geschehen wird -, da kann die Kenntnis des (gesicherten) Umgangs mit Online-Banking wichtig für den Alltag werden. Rufbusse können organisiert, Einkaufsdienste genutzt werden. In Mauth gibt es bereits Online nutzbare Angebote der Verwaltung, die den Weg ins Rathaus ersparen. Im Rahmen des Projekts will man allerdings weg von klassischen Bildungsangeboten, neue Übungsmethoden (auf kleine Gruppen ausgerichtet) sollen entwickelt werden. Ganz wichtig wird es, den Bürger nicht nur zu Anwendern bereits bestehender Softwarelösungen (die u.a. behandelt werden) zu machen sondern sie zu befähigen, eigenen Bedarf zu formulieren, diesen mithilfe z.B. von neu zu schaffenden Anwendungen – die Fachleute entwickeln – für die Bürger in Mauth und später für alle in Bayern nutzbar zu machen.
Begleitet werden die auf die Bedürfnisse der Interessenten ausgerichteten Übungseinheiten von Lernpaten und Multiplikatoren, flexibel gehaltene Termine erleichtern das Zusammenkommen der Teilnehmer. Ihre Zahl ist nicht entscheidend, wichtig ist, dass die Bürger im Stande sein werden, die Möglichkeiten digitalisierbarer Abläufe im Dorf zu nutzen - kurz ausgedrückt eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse zu erreichen. Der Bürger soll mit seinen Fragen zu Soft- oder Hardware nicht allein gelassen werden, eine Anlaufstelle in der Gemeinde soll zusätzlich geschaffen werden, die bei Bedarf genutzt werden kann.
Den ersten Schritt im Rahmen des Projekts stellte dann Nicole Feldengut in Form eines Fragebogens vor, der an alle Bürger der Gemeinde über 55 Jahre gehen soll. Mit ihm sollen unterschiedlichste Wünsche, Bedürfnisse und Kenntnisse abgefragt werden, denn die Bürger ihrerseits haben eigene Berufs- und Lebenserfahrungen gemacht. Dementsprechend muss die Projektarbeit auf diese Erfahrungen individuell aufgesetzt werden. Eigene Hardware kann jeder Teilnehmer nutzen, aber es ist beabsichtigt, beispielhaft auch zusätzliche Hardware vorzustellen und bei der Beschaffung zu beraten.
Das Projekt soll bis 2020 laufen, Mindestteilnehmerzahlen sind nicht vorgegeben. Aber natürlich soll nach Auswertung der Fragebögen die anfänglich noch ‚überschaubare‘ Zahl der Interessenten ausgebaut werden, dauerhaft werden Nicole Feldengut und Dietmar Jakob – beide vom Forschungsteam ‚digitales Dorf‘ - das Projekt begleiten.
16.06.2018 | Text und Foto: Hans-Joachim Kaulich